Kampf gegen Rechts, Ukraine Krieg, Regenbogen…Marken bekennen Farbe und positionieren sich auf ihren Social Media Kanälen, auf Plakaten etc. Dies sieht man auch in Stuttgart zunehmend. Müssen Unternehmen und Marken heute aktiv am politischen Diskurs teilnehmen? Gelingt es Werbeagenturen die Kommunikation glaubhaft rüberzubringen?
Diskriminierung, Klimaschutz und Gleichberechtigung – wie sinnvoll ist es für die Gesellschaft, wenn Wirtschaftsunternehmen an der politischen Kommunikation teilhaben?
Da es in der politischen Markenkommunikation in der Regel um positive Botschaften wie Klimaschutz oder den Einsatz für Gleichberechtigung geht, können solche Positionierungen also gesellschaftlich sinnvoll sein, können aber auch einen Shitstorm lostreten!
Marken bekennen sich oberflächlich zur Mehrheitsmeinung und ecken kaum an, wodurch sie nicht Gefahr laufen, Kunden zu verlieren. Nike bewies dagegen großen Mut, als die Marke den Football-Quarterback Colin Kaepernick für ihre 30 Jahre „Just do it“ Kampagne engagierte. Kaepernick hatte die US-Liga NFL zuvor in Aufruhr versetzt, als er beim Abspielen der Nationalhymne auf die Knie ging, um so gegen Rassismus und Polizeigewalt zu protestieren. Der damalige Präsident Donald Trump tobte daraufhin ob dieser unpatriotischen Ungeheuerlichkeit. Nike setzte sich dem mit der Kampagne gemeinsam mit Kaepernick entgegen. Das Werbemotiv mit dem Slogan „Believe in something. Even if it means sacrificing everything.“, setzte ein starkes Signal, das die Unterstützung der Aktion des knienden Footballers unumstritten unterstütze.
Mittlerweile hat sich der Begriff „Pinkwashing“ (auch Rainbowwashing genannt) etabliert, der Handlungen von Unternehmen kritisiert, die sich mit Regenbogenfahnen an die LGBTQIA+ Community anbiedern, aber nicht danach handeln. Die Shitstorm-Gefahr wächst also vor allem bei offensichtlicher Inkonsistenz zwischen Reden und Handeln. Wenn Unternehmen wie Walmart und AT&T in den USA auf den Pride-Zug aufspringen und gleichzeitig Millionen Dollar in die Anti-Trans-Gesetzgebung investieren, wird das Pinkwashing schnell entlarvt.
Es liegt also auf der Hand: Wenn Marken kommunikativ politische Partei ergreifen, darf ihr Handeln nicht im Widerspruch dazu stehen bzw. es darf auch nicht einfach gar kein Handeln stattfinden. In Bezug auf die aktuelle Situation bedeutet das zum Beispiel, dass Unternehmen, die die ukrainische Flagge auf ihren Social Media Portalen hissen, zuerst ihre eigenen Geschäftsbeziehungen nach Russland in Frage stellen sollten.
Unmittelbar nach Kriegsbeginn hat die Telekom Telefonate und SMS in die Ukraine kostenfrei gestellt. Sicher macht die Korrespondenz in die Ukraine im Fall von Telekom nur einen winzigen Umsatzanteil aus, aber der Verzicht auf Umsatzerlöse, ist trotz dessen ein deutliches Zeichen und damit auch ein Gewinn für die Glaubwürdigkeit der Marke Telekom.
Verbraucher wünschen sich mehrheitlich von „ihren“ Marken mehr Orientierung und Bekenntnis. Unternehmen sollen sich in gesellschaftliche Debatten einbringen und Verantwortung übernehmen. Wie ein „Sichraushalten“ bzw. „Nichtäußern“ negativ auf Marken zurückfallen kann, zeigt sich an den Beispielen Lonsdale und Fred Perry. Lange stand bei den beiden Bekleidungsunternehmen die Frage im Raum, ob es sich hier um „rechte“ Marken handle. Beide Marken waren in Neonazikreisen beliebt und es wurde versäumt, rechtzeitig zu reagieren, um das „Nazi-Marken“-Image wieder loszuwerden.
Umso mehr Aufwand bedurfte es dann, um das – nach rechts – verschobene Image wieder zurechtzurücken. Dafür mussten beide Unternehmen viel tun. Erst nach intensiver, aktiver Kommunikation, dem Verbot von Verkäufen durch die rechte Szene und Sponsoring von „linken“ Vereinen wie St. Pauli oder Kooperationen mit linken Bands wie Feine Sahne Fischfilet, wandelte sich das Image beider Marken wieder. Und dieser Wandel war nicht nur aufwändig, sondern auch schmerzhaft. So brachen zwischenzeitlich die Verkäufe von Lonsdale allein in Sachsen um 70 Prozent ein.
Wenn sich immer mehr Marken zu Themen wie Gleichberechtigung, Klimawandel und Kriegsablehnung bekennen, dann wächst auch der Druck auf die eigene Marke, die jeweilige Haltung zu kommunizieren. Dieser Schritt sollte gut überlegt und langfristig ausgerichtet sein. Denn man muss de facto nicht zu allem etwas sagen, aber sollte dahingehend eine klare Linie fahren, welche Themen zum eignen Unternehmen und zu der eigenen Marke passen.
Ein wichtiges Kriterium in der Glaubwürdigkeit einer Haltung, strahlt die oberste Führungsebene des Unternehmens aus. Nach innen sowie nach außen. Wird die Haltung und das Engagement von der obersten Spitze vorgelebt? Jeder zweite Deutsche sieht Geschäftsführer und Vorstände als die wichtigsten Positionen in Unternehmen, die Haltung zeigen sollten. Unternehmen, bei denen Corporate-Social-Responsibility nur von den Nachhaltigkeitsbeauftragten gelebt wird, werden damit nicht lange erfolgreich sein können. Die Vorstände müssen selbst Gesicht und Haltung zeigen und zu CEO-Aktivisten werden.
Voraussetzung ist eine kommunikative und unternehmerische Strategie, die die Verantwortlichkeit auch auf oberster Ebene verordnet, verbunden mit der Bereitschaft, auch im Sinne der Überzeugung zu handeln und sich an diesen Taten messen zu lassen. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind bzw. nicht geschaffen werden, sollte man sich mit politischen Äußerungen allerdings zurückhalten, bis man sich zu einer klaren Haltung entscheiden konnte. Ein „Aufspringen“ auf den Marketing-Zug, der er nun einmal ist, mit Regenbogenfahne und Ukraineflagge schadet in diesem Sinne nicht, aber ausschließlich nur so lange das eigene Handeln, sprich in diesem Fall der Umgang mit Gleichberechtigung von Minderheiten oder russischen Geschäftsbeziehungen, der signalisieren Haltung nicht widersprechen.