Viele Werbungtreibende wollen über Haltungsthemen ihr Image prägen. Viele Werbeagenturen in Stuttgart und dem Rest der Welt bemühen sich, Marken einen Purpose zu geben. Ob dies von den Konsumierenden auch wahrgenommen wird, erklärt ein neuer Haltungskompass. Die Ergebnisse zeigen, wie schwer sich manche werbungtreibende Unternehmen mit der Positionierung tun. Nun will es der Zufall, dass die Markenberatung Brands on Mars und die Puls Marktforschung just diese Woche eine „Repräsentative Umfrage zur Haltung von Marken in gesellschaftspolitisch schwierigen Zeiten“ veröffentlichen. In dieser nach allen Regeln der qualitativen Marktforschung erhobenen „Brands on Mars Studie 2024: Marken in Verantwortung“ sind auch Elon Musk und Tesla ein Thema. Und zwar mit dem Ergebnis, dass sich die Aktionen und Aussagen des irrlichternden Milliardärs in Deutschland deutlich negativ auf die Kaufbereitschaft und das Image der einst so begehrenswerten Marke niederschlagen. Gleiches gilt für die Marken Müller (Sie wissen schon, Herr Müller umgibt sich laut eigenen Angaben gern mit Alice Weidel) und Nestlé (der Konzern, der immer noch Menschen das Wasser abgräbt und ihnen dann wieder teuer verkauft). In der Studie heißt es: „Haltung kann auch nach hinten losgehen …“. Die richtig gute Nachricht für Marken mit Haltung: Sie geht auch nach vorne los!
Haltung zu gesellschaftlichen Themen gefragt
Laut Brands on Mars-Chef Matthias Meusel ist die Haltung zu gesellschaftlichen Themen für Marken heute das, was vor 10 oder 15 Jahren die Haltung zu Umweltthemen war. Sie wird den Menschen zunehmend wichtig. Interessant und irgendwie auch beruhigend: Die aktuelle gesellschaftliche Relevanz für die Gemeinschaft ist den Deutschen dabei deutlich wichtiger als die Relevanz für sie persönlich. Ebenfalls bemerkenswert: Marken sollten in ihrer gesellschaftlichen Haltung für etwas, weniger gegen etwas sein. „Die direkte Abwertung von Personengruppen – zum Beispiel in Aussagen wie: ‚wir sind gegen Rassisten’ – sollte vermieden werden und führt eher zur Ablehnung und zu Dissonanzen der Marke, obwohl – und das finde ich sehr spannend – die Markenhaltung geteilt wird. Die Befragten haben zwar auch etwas gegen Rassisten und teilen die Haltung, aber sie finden es nicht gut, wenn das so krass benannt wird“, sagt Meusel.
Konkrete Fragen zu den Haltungskampagnen von Nivea, dm oder der „Made by Vielfalt“-Kampagne von deutschen Familienunternehmen zeigen: Die Menschen nehmen diese Kampagnen wahr, sie finden sie gut und sie geben an, dass ihre Kaufbereitschaft für die jeweilige Marke steigt. Dreh- und Angelpunkt dafür: „Die Haltung muss zur Marke passen. Wenn eine Marke irgendeine Haltung einnimmt, die vielleicht gerade en vogue ist, dann bringt das nichts“, so der Markenexperte.
Achtung vor der falschen Fährte
Wie man’s richtig macht, zeigt die Blau-Kampagne von Edeka, die mit minimalem Media-Budget eine enorme Wirkung erzielte. Bei 54 Prozent der Befragten sorgte die Anzeige für eine positive Wirkung auf die Kaufbereitschaft und bei 59 Prozent beeinflusste sie das Edeka-Image positiv – dieses Ergebnis ist, wie gesagt, repräsentativ für Deutschland.
Womit einmal mehr deutlich wird, dass man nicht glauben darf, was in den sozialen Netzwerken hochkocht. Dort wurde die Kampagne vielerorts zerrissen und man konnte den Eindruck gewinnen, dass sich hunderte Edeka-Händler gegen die Werbekampagne gewandt hätten. Dem war nicht so: Puls-Geschäftsführer Konrad Weßner erklärt: „Man ist auf der falschen Fährte, wenn man die Wahrnehmung dieser Kampagne über irgendein Social-Media-Tracking misst. Denn in Social Media – egal ob YouTube oder TikTok – gibt es einen Rechtsdrall. Auch viele Medien lassen sich von Äußerungen in Social Media stark beeinflussen, was in diesem Fall zu Berichten geführt hat, die Kampagne sei nicht gut angekommen. Wir können repräsentativ belegen, dass das Gegenteil der Fall ist.“
Die Königin der Vertrauensbildung vom Thron gestoßen
Die Studie hat noch eine schöne Bestätigung für alle parat, die gute Nachhaltigkeitskommunikation betreiben: 29 Prozent der Befragten geben an, dass sie Marken vertrauen, die transparent über ihre sozialen und ökologischen Aktivitäten berichten. Damit sorgt die transparente Kommunikation sogar für ein stärkeres Vertrauen als die Empfehlung von Familie und Freundeskreis. „Dieses Ergebnis war für uns total überraschend“, sagt Weßner, „bislang war die Weiterempfehlung die große Königin der Vertrauensbildung, jetzt ist sie abgelöst von Marken, die eine Haltung haben und darüber berichten.“
Diese Studie ergibt einmal mehr, dass Konsument*innen die Marken in der Pflicht sehen, Verantwortung zu übernehmen, und zwar zuvörderst für Umweltschutz und Nachhaltigkeit, gefolgt von sozialem Engagement, Zusammenhalt in der Gesellschaft, für Demokratie, für Gleichberechtigung und gegen Rassismus und Rechtsextremismus. Wenn man sich so umguckt, haben Marken also alle Hände voll zu tun.