Das alles sind Beispiele für haptische Marketingimpulse durch Online-Player. Viele Online-Händler mussten schmerzlich lernen, dass die kurzfristigen Erfolge von Performance-Kampagnen schwinden, wenn sie dabei die Markenpflege vernachlässigen. Damit ihre Marke aus dem digitalen Rauschen heraussticht, machen sie viele Händler mit haptischen Werbemitteln erlebbar. Mit postalischen Mailings und Produktproben heben E-Retailer damit den zentralen Nachteil zum stationären Handel auf. Sie stärken durch intensive Brand Experiences ihr Image und erleichtern den Kunden, sich für ein Produkt zu begeistern.
Haptisch punkten
Der Tastsinn spielt eine zentrale Rolle in unserem Leben. Zunächst nehmen wir Dinge hauptsächlich durch unsere Augen wahr. Wenn jedoch Unsicherheiten über das Gesehene bestehen, greifen wir auf den Tastsinn zurück, um weitere Gewissheit zu erlangen. Dies geschieht durch das Prüfen von Merkmalen wie Temperatur, Konsistenz und Stabilität. Bis zu 600 Millionen Rezeptoren in unserer Haut nehmen die sensorischen Informationen auf. Von dort gelangen sie zur primären sensorischen Region der Großhirnrinde, dem somatosensorischen Cortex. Die registrierten Empfindungen ermöglichen nähere Aussagen zur betasteten Sache.
Haptische Reize lösen in uns spezielle Assoziationen und Wahrnehmungsmuster aus. Entsprechend bedarf die Auswahl und Gestaltung haptischer Werbemittel ein grundlegendes Verständnis der zu vermittelnden Markenwerte. Qualität und Botschaft haptischer Werbemittel übertrügen sich automatisch auf unser Bild von der Absendermarke. Grundsätzlich gilt, dass ein schweres Papier – ab 100 Gramm – eine höhere Aufmerksamkeit auslöst und mehr Kompetenz vermittelt als ein leichtes – beispielsweise 60 Gramm. Direct Mailings auf schwerem Papier werden zudem als übersichtlicher wahrgenommen.
Ferner steigern multisensuale Stimuli die Werbewirkung. Der Kreuzfahrtanbieter Aida verschickte ein nach Sonnenmilch duftendes Mini-Aida-Handtuch an seine Kunden, das in deren Händen all die schönen Erinnerungen an die letzte Schiffsreise aktivierte. Im Vergleich zum Standard-Mailing buchten doppelt so viele Empfänger des sensorischen Print-Mailings erneut eine Kreuzfahrt.
Was ich anfasse, möchte ich
Produktproben ermöglichen ebenfalls ein umfassendes multisensuales Erlebnis. Sie senken damit das Kaufrisiko: Ein zentrales Dilemma des digitalen Shoppings ist die fehlende Möglichkeit, die Produktqualität ‚live‘ zu prüfen. Trotz anschaulicher Beschreibungen, Zooming oder 360-Grad-Rotation können Menschen nicht die gleiche Gewissheit über die Eigenschaften eines Produkts erlangen wie per Produktprobe. Die Folge seien häufige Bestellungen auf Verdacht und hohe Retourenquoten.
Wer Produktproben einsetzt, profitiert vom sogenannten Endowment Effekt. Der Endowment-Effekt, auch Besitztumseffekt genannt, besagt, dass wir Dinge, die uns gehören, als wertiger und begehrlicher einstufen als solche, die uns nicht gehören. Sie sind Teil unserer Identität und repräsentieren uns nach außen hin. Indem wir unsere Besitztümer aufwerten, werten wir auch uns selbst auf. Bereits das bloße Berühren einer Sache erzeugt unbewusst ein Besitzgefühl – durch die Probe in unseren Händen nehmen wir auch das Produkt mental in Besitz.
Gratisproben bieten einen authentischen, multisensualen Eindruck von einem Produkt – außerdem lösen sie den Endowment-Effekt aus. Bereits eine kurze Berührung eines Gegenstands löst ein Gefühl des Besitzes aus und erhöht den subjektiven Wert dieses Gegenstands. Die psychologische Inbesitznahme wird umso stärker, je länger wir ein Objekt anfassen. Das belegte ein Experiment : Teilnehmer, die eine Tasse 30 Sekunden in den Händen hielten, schrieben ihr einen über 50 Prozent höheren Geldwert zu als Teilnehmer, die sie lediglich 10 Sekunden in den Händen hielten. Mit Produktproben können sich Kunden ohne Zeitdruck auseinandersetzen, was deren Bedeutung als kauftreibendes Marketingtool unterstreicht.
Samples gezielt versenden und persönlich gestalten
Mit Print-Mailings und Paketen können Produktsamples gezielt an interessierte Kunden versendet werden. Die Kundendatenbank enthält detaillierte Informationen über vergangene Einkäufe. So lassen sich Kunden mit starker Affinität zu bestimmten Marken und Produkten identifizieren. Print-Mailings eignen sich perfekt zur proaktiven Ansprache von Anhängern einer bestimmten Marke. Bei Paketen muss man entweder mit den Besteller-Adressen arbeiten oder der Kunde wählt während des Bestellprozesses seine favorisierten Proben selbst aus.
Eine persönliche Ansprache optimiert das Erlebnis rund um die Produktprobe. Empfänger interessieren sich für praktische Anwendungsbeispiele sowie für Empfehlungen, wie sie den Artikel in ihre tägliche Routine integrieren können. Die Exklusivität steigt durch eine hochwertige Verpackung, die auf der Optik des Originals beruht, und durch Hinweise wie „Sie zählen zu den wenigen Kunden, die dieses besondere Geschenk erhalten“. „Sind Verpackung und Botschaften geschickt aufeinander abgestimmt, entsteht eine optimale Markenerfahrung, die das Markenimage stärkt und zum Kauf motiviert“, resümiert Hain. Die Erlebnislücke zum stationären Handel ist damit: geschlossen.