Das ging schnell. Die Werbeagentur von der SPD arbeitet in rasender Geschwindigkeit. Schon hängen die neuen Plakate in Stuttgart: MITTE STATT MERZ lautet der neue Claim. Am frühen Mittwochabend erst stimmte der Bundestag nach einer hitzigen Debatte dem Antrag der Union zur Verschärfung der Migrationspolitik zu – auch mit Stimmen der AfD, ein Tabubruch. Die SPD nutzt den Einsturz der viel zitierten Brandmauer nun für geschickte Werbung in eigener Sache.
Die Empörung ist nach wie vor groß. Der 29. Januar 2025 sei „wahrscheinlich ein ganz bedeutender Tag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“ gewesen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwochabend in der ARD-Sendung „Maischberger“. Die Union habe einen Konsens aufgekündigt, den es die ganze Nachkriegsgeschichte über unter den Demokraten in Deutschland gegeben habe. „Den Konsens nämlich, dass es keine Zusammenarbeit der demokratischen Parteien mit der extremen Rechten gibt. Heute ist das passiert“, so Scholz weiter.
Noch während der Bundeskanzler bei der ARD-Talkerin saß, lief die Werbemaschinerie der SPD bereits auf Hochtouren. Das Ergebnis konnte man bereits am Mittwochabend auf digitalen Out-of-Home-Flächen bestaunen. „Mitte statt Merz“ steht auf den Motiven, die die SPD seit gestern gemeinsam mit ihrer Werbeagentur BrinkertLück Creatives bundesweit in Echtzeit auf digitale City-Light-Plakatflächen projiziert. Die Messlatte liegt hoch. Mit der Botschaft „Mitte statt Merz“ wolle die SPD „ein klares Zeichen für den Schutz der Demokratie durch eine stabile Brandmauer gegen Extremisten und Populisten“ setzen, heißt es.
Den Vorwurf, ihren Fünf-Punkte-Plan ausgerechnet mit Hilfe der AfD durchgesetzt und damit Wortbruch begangen zu haben, bekommt die Union aber nicht nur in Form von Außenwerbung aufs Brot geschmiert. Die SPD nutzt auch soziale Medien, um der in Umfragen derzeit führenden CDU ans Bein zu pinkeln. Neben den Werbemotiven mit dem Slogan „Mitte statt Merz“ kommt auf den einschlägigen Plattformen auch ein Werbefilm zum Einsatz, in dem der CDU-Kanzlerkandidat hart angegangen wird.
„Unsere Demokratie ist unser höchstes Gut“, heißt es gleich zu Beginn des gut 30-sekündigen Clips. Dass die Demokratie allerdings eine höchst fragile Regierungsform ist, wird kurz darauf deutlich, als die viel zitierte Brandmauer eingeblendet wird. Das Problem: Der demokratische Schutzwall ist nicht etwa aus Stahl oder Beton, sondern nur aus Bierdeckeln gebaut – ein Kartenhaus, das bei Angriffen schnell in sich zusammenfallen kann.
Genau auf diese Gefahr macht die SPD, die sich schon seit einigen Tagen mit Social-Media-Motiven als Anti-Nazi-Partei positioniert, in dem Werbefilm aufmerksam. „Unsere Brandbauer wird angegriffen – von Populisten und Extremisten“, erklärt eine Stimme aus dem Off, während Bilder von X-Eigner Elon Musk sowie den AfD-Politikern Björn Höcke und Alice Weidel über den Bildschirm flackern. Bemerkenswert: Nach Musk, Höcke und Weidel wird auch Friedrich Merz eingeblendet – und somit in einen Topf mit den Rechtsextremen geworfen. Wenn die Mitte nicht mehr zusammenhalte, dann könne die Demokratie „irreparablen Schaden nehmen“, warnt die SPD vor einer Merz-Regierung, um am Ende um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler zu werben.
Die Union hat derweil Spekulationen, sie könne mit der AfD koalieren, vehement zurückgewiesen. „Da können jetzt AfD-Leute triumphieren, wie sie wollen, die wird es nicht geben“, sagte Merz nach der Abstimmung am Mittwoch zu einer möglichen Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten. Allerdings sei er auch nicht länger bereit, sich „von einer Minderheit davon abbringen zu lassen, Abstimmungen herbeizuführen, die in der Sache richtig sind.“
Diese Auslegung ist nicht unumstritten – wohl auch in der eigenen Partei nicht. So hat Ex-Kanzlerin Angela Merkel das Vorgehen der Union bei der Abstimmung inzwischen kritisiert. So habe sie die frühere Ankündigung von Merz, nur mit SPD und Grünen zuvor vereinbarte Entscheidungen auf die Tagesordnung zu setzen, damit keine Mehrheit mit der AfD zustande komme, vollumfänglich unterstützt. „Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und dadurch am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen“, so Merkel weiter.
Auch wenn es eigentlich drängendere Themen wie etwa die anhaltende Wirtschaftskrise, die Ukraine-Hilfe sowie die Steuer- und Bildungspolitik gibt, dürfte das Thema Migration und der Umgang mit der AfD die letzten Wochen des Wahlkampfes bestimmen. Das bedeutet auch mehr Arbeit für die Partei-Werber und ihre Agenturen. Die SPD hat bereits weitere Kampagnen für die kommenden Wochen angekündigt.